Jahrestag der Pogromnacht von 1938
Als der Antisemitismus in Gewalt umschlug

An diesem Samstag vor 86 Jahren, in der Nacht von 9. auf 10. November 1938, brennen in Deutschland mehr als 1000 Synagogen. Auch Heilbronn ist betroffen.
Jüdische Bürger werden drangsaliert, geschlagen, ihre Geschäfte und Wohnungen von Schlägertrupps zertrümmert. Die Reichspogromnacht ist der vorläufige Höhepunkt der antisemitischen Politik des Hitler-Regimes. Schon mit der sogenannten Machtergreifung der NSDAP 1933 gehen die Anfeindungen los. Nach 1938 folgt die systematische Vernichtung in Konzentrationslagern.
Die Gedenktafel im jüdischen Friedhof Breitenloch in Heilbronn zeigt die Namen der unter dem NS-Regime getöteten jüdischen Mitbürger. Foto: HSt-Archiv
Die Gedenktafel im jüdischen Friedhof Breitenloch in Heilbronn zeigt die Namen der unter dem NS-Regime getöteten jüdischen Mitbürger. Foto: HSt-Archiv
Die Heilbronner Synagoge an der Allee:
Die 1877 erbaute Heilbronner Synagoge an der Allee geht am frühen Morgen des 10. November in Flammen auf – später als anderswo.
Die 3D-Rekonstruktion von Bernd Pfoh aus dem Jahr 2010 zeigt das jüdische Gebetshaus an seinem damaligen Standort an der Heilbronner Allee.
Die 3D-Rekonstruktion von Bernd Pfoh aus dem Jahr 2010 zeigt das jüdische Gebetshaus an seinem damaligen Standort an der Heilbronner Allee.
Stadtarchivdirektor Christhard Schrenk hat eine Erklärung:
Kreisleiter Richard Drauz will das Gotteshaus zunächst schonen, um von der jüdischen Gemeinde ein Schutzgeld zu erpressen. Doch die Vorgesetzten lassen sich darauf nicht ein, daher der verspätete Pogrom in zwei Etappen.
Augenzeugen-Bericht eines Nachbars:
Nachbar Dr. Wilhelm Kahleyss hört gegen 1 Uhr verdächtige Geräusche und ruft die Feuerwehr an. Doch die trifft erst viel später ein. Gegen 5 Uhr folgen zwei Explosionen, gegen 6 Uhr ist das Feuer an der Allee zu sehen. Um 8.42 Uhr ist die Kuppel zerstört, wie ein Foto mit der Uhr des benachbarten Postamtes zeigt.
Das Foto eines Nachbarn zeigt die lodernde, einstürzende Zentralkuppel der Heilbronner Synagoge am frühen Morgen des 10. November 1938. Foto: Stadtarchiv Heilbronn
Das Foto eines Nachbarn zeigt die lodernde, einstürzende Zentralkuppel der Heilbronner Synagoge am frühen Morgen des 10. November 1938. Foto: Stadtarchiv Heilbronn
Nach der „Reichskristallnacht“ kehren immer mehr der einst 900 Heilbronner Juden der Heimat den Rücken. Meist flüchten sie in die USA und nach England. Die Stadt kauft ihre Anwesen zu Spottpreisen auf.
Die israelitische Kultusgemeinde wird im August 1939 aufgelöst, die meisten noch in Heilbronn lebenden Juden kommen in zwölf „Judenhäuser“ und werden zu Zwangsarbeiten verpflichtet.
Bis 1945 ermorden die Nazis auf offener Straße und in KZs 234 jüdische Heilbronner, 600 gelingt die Flucht. Ihre Geschichte ist noch längst nicht zu Ende geschrieben.


Gedenkfeier am 9. November 2024 um 19.15 Uhr
Auf dem Heilbronner Max-Beermann-Platz zwischen Kreissparkasse und Heilbronner Stimme, also ungefähr dort, wo früher die Synagoge stand, findet am 9. November um 19.15 Uhr eine Gedenkfeier mit Kranzniederlegung statt. Hauptredner sind Oberbürgermeister Harry Mergel und Dekan Christoph Baisch.
Wo bis 1938 die Synagoge stand, erinnert ein neu gestaltetes Mahnmal an das Pogrom. Neben der 1993 aufgestellten Kuppelskulptur von Bettina Bürkle findet sich zwischen neuen Pflastersteinen eine Hülse für den Chanukka-Leuchter. Foto: HSt-Archiv
Wo bis 1938 die Synagoge stand, erinnert ein neu gestaltetes Mahnmal an das Pogrom. Neben der 1993 aufgestellten Kuppelskulptur von Bettina Bürkle findet sich zwischen neuen Pflastersteinen eine Hülse für den Chanukka-Leuchter. Foto: HSt-Archiv
Hören Sie unseren Podcast mit dem Historiker Christhard Schrenk und Stimme-Redakteur Kilian Krauth zum jüdischen Leben in Heilbronn.
Entdecken Sie unsere Bildergalerie zum jüdischen Leben in Heilbronn.